Zahl der tierhaltenden Betriebe sinkt laut Fleischatlas
Fleischatlas 2016 wurde gestern (13.01.2016) von der Heinrich-Böll-Stiftung veröffentlicht. Zunächst wecken die dort veröffentlichten Zahlen Hoffnungen:Die Zahl der Tierhaltungen in bäuerlichen Betrieben sinkt bei Schweinen und Hühnern deutschlandweit, bei Rindern ist sie in weiten Teilen ebenfalls rückläufig. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes ging die Zahl der Betriebe, die Masthühner halten, um 95 Prozent von knapp 70.000 auf 4.500 zurück. Bei der Schweinefleischerzeugung ergibt sich ein ähnliches Bild: die Zahl der Betriebe sank um fast 90 Prozent auf etwa 27.000. Zudem ist der Fleischverbrauch laut Fleischatlas relativ konstant geblieben bzw. wächst langsamer als zuvor.

Das Bild erscheint erfreulich, doch ist dies leider nur die eine Seite der Statistik. Denn gleichzeitig ist die die Erzeugung von Geflügelfleisch in Deutschland seit 1994 um mehr als drei Viertel gestiegen und bei der Schweinefleischerzeugung nahm die Produktion in den letzten zwanzig Jahren um fast die Hälfte zu.

Fleischatlas zeigt: Deutschland wird zum Exportland
Wie ist das möglich, wenn der Fleischverbrauch doch nicht gestiegen ist? Während Deutschland 1994 noch mehr Schweine- und Geflügelfleisch importierte als exportierte, gibt es inzwischen einen Exportüberschuss.
Die Exporte in Länder außerhalb der EU finden überwiegend in Form von standardisierten Produkten wie Milchpulver, Schweinehälften und gefrorenen Hühnerteilen (Keulen oder Flügel) statt. Damit diese Waren wettbewerbsfähig sind, müssen die Erzeugerpreise auf dem Niveau des Weltmarktes liegen. Um dies zu erreichen, setzen die meisten Betriebe auf Größenwachstum, um durch Rationalisierung die Kosten zu senken. Dies ist ein weiterer Treiber des Strukturwandels und lässt den Betrieben kaum Spielraum, um in Tier- und Umweltschutz zu investieren.Fleischatlas
Während Verbraucher in Deutschland immer stärker in Bezug auf Massentierhaltung und steigende Fleischproduktion sensibilisiert werden, stellen die Erzeuger nicht etwa ihre Produktionsmethoden um, sondern konzentrieren sich auf den Export des billig produzierten Fleisches, das auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig ist. Deutlich wird dies auch, wenn man sich anschaut, wie viele Megaanlagen in der Tiermast beantragt wurden.

Gleichzeitig steigt durch verbesserte Mast und Züchtung neuer, noch fleischreicherer sogenannter Nutztierrassen die Menge verwertbaren Fleisches pro Tierleiche.
Das ernüchternde Fazit: Der Verbraucher scheint machtlos zu sein, denn mit seinem Kaufverhalten scheint er die sogenannte Tierproduktion wenig beeinflussen zu können. Die beliebteste aller Fleisch-Esser-Ausreden „Aber ich kaufe doch nur bio und davon auch nur ganz wenig“ scheint nichts an den herrschenden Bedingungen in Deutschland zu ändern, da die Fleischproduzenten ihre Waren einfach exportieren und sich so neue immer stärker wachsende Märkte (man denke nur an die gestiegene Nachfrage nach Fleisch in Asien) erschließen. Es entsteht fast der Eindruck, als ob Konsumverzicht nicht das richtige Mittel sein kann, um die bestehenden Verhältnisse zu ändern.
Der Fleischatlas wurde unter einer Creative Commons Lizenz veröffentlicht. Den gesamten Atlas findet man bei der Heinrich-Böll-Stiftung.
Das Bild „moo cows“ wurde von matt northam auf flickr unter Creative Commons License Attribution-NonCommercial-NoDerivs 2.0 Generic (CC BY-NC-ND 2.0) veröffentlicht